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Abzinsungsvorschriften für Pensionsrückstellungen im Handelsrecht

Dr. Tobias ReiterWirtschaftsprüfer und Steuerberater
Familienunternehmen

Der IDW hat eine kurzfristige Änderung von § 253 HGB angeregt, weil erwartet wird, dass das bisherige Vorgehen zu einer erhöhten Bewertung von Pensionsrückstellungen führt und sich die Situation in handelsrechtlichen Abschlüssen zu negativ darstellt.

Der Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hat in seinem Schreiben an das Bundesministerium der Justiz (BMJ) eine kurzfristige Änderung von § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB auf die Fassung des BilMoG angeregt. Dort ist bislang geregelt, dass „Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr (...) abzuzinsen [sind] mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz, der sich im Falle von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus den vergangenen zehn Geschäftsjahren und im Falle sonstiger Rückstellungen aus den vergangenen sieben Geschäftsjahren ergibt.“ Die vom IDW vorgeschlagene Änderung zielt auf eine einheitliche Verwendung eines 7-Jahres Durchschnittszinssatzes für sämtliche Rückstellungen ab, also auch für Pensionsrückstellungen.

Hintergrund ist die wesentlich steigende Inflationsrate, die aktuell zu einer erhöhten Preis- oder Kostenschätzung bei der Bestimmung des Erfüllungsbetrags führt, welcher bei der Bewertung der Pensionsrückstellung zugrunde zu legen. Der Erfüllungsbetrag berücksichtigt Annahmen zur Lohn- und Gehaltsentwicklung, zum Karriere- und Rententrend sowie auch weitere mögliche Einflüsse auf die künftigen Leistungen des Unternehmens, zum Beispiel die Fluktuation, Sterbewahrscheinlichkeiten oder Änderungen externer Bemessungsgrößen, beispielsweise aus der Sozialversicherung).

Eine daraus resultierende erhöhte Bewertung von Pensionsrückstellung führt zu einer Ergebnis- und Eigenkapitalbelastung in den betroffenen Unternehmen und könne, so das IDW, zu einer signifikanten Überzeichnung der tatsächlichen Belastungssituation in handelsrechtlichen Abschlüssen führen und eine sich selbst verstärkende Entwicklung der Krisensituation zur Folge haben. Zwar sei mit steigender Inflation auch eine Erhöhung des allgemeinen Zinsniveaus beobachtbar, jedoch werde diese im Diskontierungszinssatzes nicht ausreichend reflektiert, wenn sich dieser aus einer Durchschnittsberechnung über zehn Jahre ergibt. Es ist daher nämlich davon auszugehen, dass der nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB anzuwendende Zinssatz voraussichtlich noch bis zum Abschlussstichtag zum 31.12.2024 weiter sinken wird, mit der Folge, dass der Bilanzwert der Pensionsrückstellung zunehmend ansteigt.

Das IDW empfiehlt, eine solche Änderung des HGB mit einer Übergangsregelung im EGHGB anzustreben. Der Wechsel vom 10-Jahres-Durschnittszinssatz zum 7-Jahres-Durchschnittszinssatz sollte erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der 7-Jahres-Durchschnittszins oberhalb des 10-Jahres-Durchschnittszins liegt. Solange solle der zuletzt der Bewertung von Pensionsrückstellungen zugrunde gelegte Diskontierungszinssatz „eingefroren“ werden. Dies ist vor dem Hintergrund der im Jahre 2016 eingeführten entlastenden Bewertungsregeln für Pensionsrückstellungen (Verlängerung der Durchschnittsbetrachtung von sieben auf zehn Geschäftsjahre) nachvollziehbar, da seinerzeit die Nachteile des Niedrigzinsumfelds für die Unternehmen abgemildert werden sollten. Dieser Grund scheint nun auf absehbare Zeit entfallen und eine Rückänderung angezeigt.

Ungeachtet einer solchen kurzfristigen Gesetzesänderung, die insbesondere auch die Eigenkapitalausstattung kleiner und mittelständischer Unternehmen stärken und diesen den Zugang zu zusätzlicher Liquidität erleichtern könnte, sollte mittelfristig die handelsrechtliche Abzinsungskonzeption neu ausgerichtet werden. Hierzu sind bereits verschiedene Reformansätze in der Diskussion.

Das Schreiben des IDW ist unter diesem Link verfügbar:
Brief an Herrn Dr. Marco Buschmann, 30.09.2022, IVS (idw.de)

Dr. Tobias ReiterWirtschaftsprüfer und Steuerberater