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EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Catharina BraaSteuer- und Prüfungsassistentin
Rechtsprechung Steuern

Der EuGH hat sich mit vom BFH vorgelegten Fragestellungen zur Vereinbarkeit verschiedener nationaler Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft mit den unionsrechtlichen Vorgaben befasst.

 

Mit seinen Urteilen vom 01. Dezember 2022 (C-141/20 und C-269/20) hat der EuGH zu den folgenden Sachverhalten in Bezug auf die Vereinbarkeit nationaler Regelungen mit dem Unionsrecht Stellung bezogen:

  1. In einer umsatzsteuerlichen Organschaft wird lediglich der Organträger als Steuerpflichtiger bestimmt
  2. Eine finanzielle Eingliederung liegt nur vor, wenn der Organträger neben der Mehrheitsbeteiligung auch die Stimmrechtsmehrheit innehat
  3. Bei Organgesellschaften handelt es sich (gem. § 2 Abs. 2 UStG) nicht um selbstständige Unternehmen

Alleinige Steuerpflicht des Organträgers ist mit Unionsrecht vereinbar

Für die Bestimmung des maßgeblich Steuerpflichtigen wies der EuGH auf seine bisherige Rechtsprechung hin, nach der die Mehrwertsteuergruppe als solche grundsätzlich als Steuerpflichtiger zu betrachten sei. Die Mehrwertsteuergruppe definiert sich lediglich durch die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch enge Beziehungen der Mitglieder. Im Falle von mehreren rechtlich selbstständigen Organkreismitgliedern muss ein Ansprechpartner bestimmt sein. Im Ergebnis steht das nationale Recht, welches die alleinige Steuerpflicht des Organträgers vorsieht und diesem auch die alleinige Vertretung, sowie die Verantwortung der umsatzsteuerlichen Pflichten zuschreibt, dem Unionsrecht nicht entgegen. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass der Organträger seinen Willen bei den Organgesellschaften durchsetzen kann und keine Steuerausfälle aufgrund der alleinigen Steuerpflicht des Organträgers zu befürchten sind. Letzterem steht der § 73 AO entgegen, welcher die Haftung aller Organgesellschaften für geschuldete, die umsatzsteuerliche Organschaft betreffende Steuern, innerhalb des Organkreises vorsieht. Die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung ist bereits durch das Kriterium der finanziellen Eingliederung gegeben. 

Für die finanzielle Eingliederung ist keine Stimmrechtsmehrheit erforderlich

Die Anforderung auf nationaler Ebene, welche vorsieht, dass zur Erfüllung der finanziellen Eingliederung neben einer Mehrheitsbeteiligung auch eine Stimmrechtsmehrheit vorliegen muss, steht hingegen nicht mit dem Unionsrecht im Einklang. Laut EuGH ist die Stimmrechtsmehrheit nicht von vornherein als geeignete und notwendige Maßnahme für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung anzusehen.

Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG typisierende Einordnung von Organgesellschaften als nicht selbstständige Unternehmen ist unzulässig

Der EuGH widerspricht der nationalen Regelung, welche eine Einordnung von Organgesellschaften als nicht selbstständige Unternehmen vorsieht. Er konstatiert, dass eine Eingliederung einer Organgesellschaft in eine Mehrwertsteuergruppe (siehe 1.) nicht per se zum Wegfall ihrer Selbstständigkeit führt. Der EuGH führt weiter an, dass es zur Bestimmung der Selbstständigkeit Einzelfallentscheidungen bedarf. Hierbei muss geprüft werden, ob die betreffende Organgesellschaft einer selbstständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht, d.h. Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt. 

Auswirkungen auf die Praxis:

Durch die weiter gefasste Auslegung der finanziellen Eingliederung wird nun auch Unternehmensgruppen, welchen vorher mangels Stimmrechtsmehrheit das Modell der Organschaft verwehrt blieb, die umsatzsteuerliche Organschaft zugesprochen. Zukünftig gilt es vor allem zu beobachten, welche Folgerechtsprechungen es zu den bisher nicht steuerbaren Innenumsätzen geben wird. Die Auslegung des EuGHs deutet darauf hin, dass auch Organgesellschaften weiterhin selbstständig tätig bleiben und somit steuerbare Umsätze innerhalb des Organkreises ausführen können. Als Folge würde das Konstrukt der umsatzsteuerlichen Organschaft lediglich noch verfahrenstechnische Auswirkungen auf die beteiligten Gesellschaften haben.

Catharina BraaSteuer- und Prüfungsassistentin