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Erhebung der Mehrwertsteuer bei Betrieb von Online-Plattformen (EuGH)

Matthias MüllerRechtsanwalt und Steuerberater
Rechtsprechung Telekommunikation Steuern

Der EuGH hat mit Urteil v. 28.2.2023 - C-695/20 „Fenix International“ entschieden, die Klarstellung des Europäischen Rats sei nicht zu beanstanden, nach der widerlegbar vermutet wird, der Betreiber einer Online-Plattform schulde selbst in voller Höhe die Umsatzsteuer auf die gesamten von ihm auch für fremde Rechnung vereinnahmten Beträge, da er als Erbringer der auf der Plattform angebotenen Dienstleistungen anzusehen sei.

Fenix International, eine für Umsatzsteuerzwecke in UK registrierte Gesellschaft, betreibt im Internet eine Plattform für das weltweite soziale Netzwerk „Only Fans“, das seine „Nutzer“ in „Gestalter“ und „Fans“ unterteilt sind. Fenix stellt sowohl die Only-Fans-Plattform bereit als auch eine App, die den Einzug und die Verteilung der von den Fans geleisteten Zahlungen ermöglicht. Sie behält einen Prozentsatz von allen an einen Gestalter gezahlten Beträge ein und stellt diesem den entsprechenden Betrag in Rechnung. Auf diesen Betrag erhebt sie Mehrwertsteuer, die in den von ihr ausgestellten Rechnungen ausgewiesen ist.

 Die britische Steuerverwaltung des Vereinigten Königreichs erließ gegenüber Fenix Umsatzsteuerbescheide und war der Auffassung, dass Fenix als im eigenen Namen tätig anzusehen sei und daher die Mehrwertsteuer auf den gesamten von einem Fan erhaltenen Betrag abführen müsse und nicht nur auf den Prozentsatz dieses Betrags, die sie als Vergütung einbehalte.

 Fenix war der Meinung, dass die den Umsatzsteuerbescheiden zugrundeliegende  Durchführungsverordnung des Rates der EU nicht anzuwenden sei. Das von Fenix angerufene britische Gericht legte dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob die streitige Bestimmung ungültig ist, weil der Rat die ihm übertragenen Durchführungsbefugnisse überschritten und die Mehrwertsteuerrichtlinie nicht nur präzisiert, sondern ergänzt oder geändert hat.

Der EuGH vertritt die Auffassung, dass   

•             nach der Mehrwertsteuerrichtlinie ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen von Dienstleistungen als Vermittler im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen handelt, selbst als Erbringer dieser Dienstleistungen gilt,

•             in Fällen, in denen elektronisch erbrachte Dienstleistungen z.B. über ein Portal wie einen Appstore erbracht werden, auch nach der Durchführungsverordnung des Rates „davon auszugehen …(sei), dass ein an dieser Erbringung beteiligter Steuerpflichtiger im eigenen Namen, aber für Rechnung des Anbieters dieser Dienstleistungen tätig ist,

•             diese Vermutung widerlegt werden könne, wenn der Anbieter von dem Steuerpflichtigen ausdrücklich als Leistungserbringer genannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt,

•             in Fällen, in denen der Portalbetreiber die Abrechnung mit dem Dienstleistungsempfänger autorisiert, ihre Erbringung genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Erbringung festlegt, stets davon ausgegangen werde, dass der Portalbetreiber selbst als Erbringer der Dienstleistungen gilt,

•             der Rat sich in Rahmen der streitigen Bestimmung der Durchführungsverordnung darauf beschränkt hat, die Mehrwertsteuerrichtlinie zu präzisieren, ohne sie zu ergänzen oder zu ändern, so dass Bestimmung der Durchführungsverordnung gültig sei.

Matthias MüllerRechtsanwalt und Steuerberater