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Umsatzsteuerliche Organschaft

Matthias MüllerRechtsanwalt und Steuerberater
Rechtsprechung Familienunternehmen

Der BFH hat im Urteil vom 18.01.2023, XI R 29/22, seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine umsatzsteuerliche Organschaft geändert.

Die zur Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche finanzielle Eingliederung setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH voraus, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte (also mehr als 50%) an der Organgesellschaft zusteht. 

Im Anschluss an das EuGH-Urteil Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie, EU:C:2022:943, Rz 69 f, hat der Xi. Senat des BFH aber nun seine bisherige Rechtsprechung unionsrechtskonform geändert. Der EuGH hält es nämlich für möglich, dass eine finanzielle Eingliederung auch ohne Stimmrechtsmehrheit in Betracht kommen kann. Auch der BFH hat bereits zuvor erkannt, dass die zur Begründung einer Organschaft erforderlich finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein muss. Tritt auf einem der drei Gebiete die Eingliederung weniger stark in Erscheinung, hinderte dies schon nach bisheriger Auffassung des BFH nicht, trotzdem eine Organschaft anzunehmen, wenn sich die Eingliederung deutlich auf den beiden anderen Gebieten zeigt (vgl. BFH-Urteile vom 01.04.2004 - V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, unter II.2.; in BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.1.b, und vom 29.01.2009 - V R 67/07, BFHE 225, 172, BStBl II 2009, 1029, unter II.3.c aa).In Fortführung dieser Rechtsprechung hält es der BFH daher nun nicht mehr für zwingend erforderlich, dass der Organträger mehr als 50% der Stimmrechte bei der Organgesellschaft ausüben kann. Es sei vielmehr gerechtfertigt, trotz Stimmrechten von nur 50 % eine finanzielle Eingliederung auch dann anzunehmen, wenn Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen von Organträger und Organgesellschaft besteht und damit die fehlende Stimmrechtsmehrheit durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung (BFH-Urteile in BFHE 234, 548, BStBl II 2013, 218, Rz 24, und in BFHE 242, 433, BStBl II 2017, 543, Rz 26) ausgeglichen wird. Denn in einem solchen Fall kann der Organträger seinen Willen bei der laufenden Geschäftsführung durchsetzen und mit Hilfe seiner Stimmrechte in Höhe von 50 % eine abweichende Weisung durch die Gesellschafterversammlung verhindern. Der ebenfalls füpr die Umsatzsteuer zuständige V. Senat des BFH hat dieser Auffassung zugestimmt. 

 

Matthias MüllerRechtsanwalt und Steuerberater